HUBER.HUBER

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huber.huber and the authors

Kunstmuseum Olten

huber.huber - DAS VERSCHWINDEN

17. Februar bis 12. Mai 2024

Die Zwillingsbrüder Markus und Reto Huber (*1975), die seit 2005 gemeinsam als huber.huber tätig sind, arbeiten in unterschiedlichen Medien, hauptsächlich mit Fotografie, Videos, Objekten und Installationen. Auf den ersten Blick wirken ihre Werke poetisch und ruhig. Bel längerer Betrachtung nimmt das vermeintlich Harmonische aber oft irritierende oder gar zerstörerische Gestalt an. Die Künstler suchen jedoch nicht den schnellen Effekt, sondern regen zum Nachdenken an, insbesondere über das fragile Verhältnis zwischen Zivilisation und Natur Im Anthropozän. Ein Augenzwinkern sorgt angesichts der Schwere und Dringlichkeit ihrer Themen für wohltuende Leichtigkeit.

Den Werken liegt ein solcher Zauber inne, dem mit Worten nicht beizukommen ist, deshalb werden wir die Werke in dieser Einführung nicht im Einzelnen beschreiben. Auf den ersten Blick verblüffen sie nämlich durch ihre hohe formale Ästhetik, man kommt fast nicht umhin, den in der bildenden Kunst verpönten Begriff des "Schönen" zu benutzen. Und sie vermitteln (ebenso verpönt) eine "erhabene Leichtigkeit". Bald nimmt das vermeintlich Harmonische ihrer Fotografien, Installationen und Objekte aber imitierende oder gar zerstörerische Gestalt an. Denn sie nutzen den Effekt des Schönen, um mit ernsten Aussagen zum Nachdenken anzuregen, insbesondere verweisen sie auf das fragile Verhältnis zwischen Zivilisation und Natur und auf die Rolle von uns Menschen im Umgang mit unserer Umwelt Sie spiegeln unsere Hoffnungen, Ängste, unseren Glauben und unser Scheitern in der Verantwortung für den Planet wider, auf dem wir leben.

Ihre Werke beziehen klar Haltung, ohne zu moralisieren, huber.huber selbst sagen dazu: „Als Künstler haben wir das Privileg, die Schönheit und Verletzlichkeit der Welt in unseren Werken zu zeigen Obwohl wir wissen, dass unsere Kunst die Welt nicht verändern kann, glauben wir, dass es unsere Verantwortung als Künstler ist, auf die Zerbrechlichkeit unserer Gesellschaft und unseres Planeten aufmerksam zu machen.“

Für die retrospektiv angelegte Ausstellung im Kunstmuseum Olten haben sie aus Ihrem zwanzigjährigen Oeuvre Arbeiten zum Thema des Verschwindens ausgewählt und um neue Werke ergänzt. Sie stellen die Ausstellung unter einen Begriff, der seit Jahren mit im Zentrum ihrer Arbeit steht: „Das Verschwinden“ Damit reflektieren sie wichtige Stationen und Leitideen ihrer künstlerischen Praxis, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Mit dem ambivalenten Verhältnis zwischen Zivilisation und Natur beschäftigen sich huber.huber seit Beginn ihrer Zusammenarbeit. Das Anthropozän, unser aktuelles geologisches Zeitalter, in dem der Mensch zu einem bedeutenden Einflussfaktor auf die Umwelt und die geologischen Prozesse geworden ist, stellt eine grosse Bedrohung für die Erde, aber zunehmend auch für die Menschheit selbst dar. Besonders beunruhigend daran sind die langfristigen und teils irreversiblen Folgen für den gesamten Planeten. Aber auch die geopolitischen Veränderungen und die zunehmenden sozioökonomischen Ungerechtigkeiten in der Welt geben den Künstlern Anlass zu grosser Sorge. In Ihren Arbeiten wird dies deutlich.

Vom Schritt der Besucher:innen leicht erschütterte Regenbogen als hoffnungsvolles biblisches Versprechen auf Schonung scheint der Menschheit - noch? - einen Handlungsspielraum zuzugestehen, angesichts von schmelzendem Eis, sengender Sonne, versinkender Paradiese, sterbender Insekten, düsterer Schatten der Vergangenheit und lodernder Feuer der Gegenwart.

Die Bilder, welche das Künstlerduo für das verhängnisvolle Aufeinandertreffen von Natur und Zivilisation und die dadurch evozierte Gefährdung unserer Existenz finden, sind betörend schön. melancholisch und furchtbar zugleich.

Die so entstandene Ausstellung kann als ein grosses, schillerndes Vanitas-Stillleben verstanden werden. Vergänglichkeit, Vergehen, Verlieren, Zerstören und Sterben, aber auch Erinnerungen, Illusionen und die Flüchtigkeit des Lebens scheinen unter dem Titel Das Verschwinden in unterschiedlichen Brechungen auf.

Anders aber als das im Mittelalter gebräuchliche Motiv, das als Kritik an der menschlichen Eitelkelt oder Nichtigkeit gedacht war und aufzeigen sollte, dass der Mensch keine Gewalt über Leben und Tod hat ist die Botschaft von Das Verschwinden» jene, dass die Zerstörung der Natur durch uns Menschen verursacht wird wir es durchaus in der Hand hätten, Veränderungen aufzuhalten.

Und doch erzeugt ein „Augenzwinkern“ angesichts der Schwere und Dringlichkeit ihrer Themen immer wieder für wohltuende Leichtigkeit. Nicht von ungefähr sind die Schüsseln in „Stillstand der Zeit“, die das Wasser der schmelzenden Eiszapfen auffangen sollen, so schön farbig und erinnern an Utensilien von Kindern beim Spielen im Sandkasten.

Besonders bezeichnend für diesen humorvollen und auch (selbst-)ironischen Zug ist die Arbeit „Vom Sterben der Gletscher“– ein ernstes Thema. Das Publikum wird jedoch spielerisch aufgefordert, aktiv in das Geschehen einzugreifen und mit Hilfe eines bereitliegenden Ritzwerkzeugs das Verschwinden zu forcieren oder zu kommentieren. Die Künstler tun das, wohl wissend, dass wir, so aufgefordert, kaum werden widerstehen können, unserer eigenen Kreativität Ausdruck zu verleihen sei es mit neuen Strukturen im Gletscher, oder auch nur mit Herzchen, Botschaften oder anderen Verzierungen, wie sie an öffentlichen Orten auf der ganzen Welt zu finden sind. Vielleicht kämpfen wir ja, indem wir meinen, uns auf diesem oder anderen Objekten verewigen zu müssen, gegen unser eigenes Verschwinden an?

Eben hier zeigt sich das grosse Können in der Arbeit der beiden, im leichtfüssigen und spielerischen Aufzeigen der menschlichen Befindlichkeiten, ohne dabei ihr Anliegen, das Aufrütteln gegen das Vergessen des menschgemachten Klimawandels und ihre Kritik am Umgang mit unserer Erde, aus den Augen zu verlieren. Und ja, sie beziehen Stellung - das erfordert Mut, gerade jetzt, in einer Zelt, die von kriegerischen Auseinandersetzungen erschüttert wird und das stille, aber stetig voranschreitende Verschwinden der Natur in den Hintergrund gerückt wird.

In der gemeinsamen Präsentation offenbart sich auch die Bedeutung ihrer langjährigen Kooperation mit dem Musiker und Komponisten Michael Bucher, dessen Sound in den beiden Videoarbeiten auf beiden Stockwerken zu hören ist und so die ganze Ausstellung durchdringt, von „Non-Rem“, ihrer ersten Arbeit überhaupt (2004), bis zu „Purpurlicht“ von 2023.

Da sich die beiden Künstler seit Jahren auch als Kuratoren betätigen, Werke anderer Kunstschaffender ausstellen, mit unterschiedlichen Formen des Austauschs experimentieren und für die Recherche im Vorfeld der eigenen Arbeit im Atelier oft das Gespräch zu Expert:innen verschiedener Disziplinen suchen, eröffnen sie das Oltner Museumsjahr, das die Idee des gemeinsamen Kunstmachens und Ausstellens unter dem Motto Ensemble, c'est tout! in den Fokus rückt. - Wider das Verschwinden.

Biografisches:

Die Zwillingsbrüder Markus und Reto Huber wurden 1975 in Münsterlingen geboren. Sie leben und arbeiten in Zürich. Seit 2005, Ihrem letzten Studienjahr an der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK, sind sie gemeinsam als huber.huber tätig.

Die Liste ihrer Soloshows und ihrer Beteiligung an Gruppenausstellungen und Projekten im In- und Ausland ist eindrücklich. Parallel zu ihrer intensiven Ausstellungstätigkeit haben huber.huber in div. Konstellationen und Formaten auch als Kuratoren und Vermittler gewirkt, jüngst mit dem Projekt FRIENDS.

Für ihr Schaffen wurden die Künstler mit zahlreichen Preisen, Atelierstipendien, Werkbeiträgen und Ankäufen ausgezeichnet. Ihr Schaffen ist in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen der Schweiz vertreten.

Michael Bucher ist Gitarrist, Multiinstrumentalist, Komponist und Sounddesigner aber auch Vater, Winterbader, Autodidakt und Läufer. Er lebt in Zürich, spielt in mehreren Bands und arbeitet projektweise in diversen Konstellationen, auch für Theater, Film und Kunst. Die erste Kooperation mit huber.huber datiert 2004, die aktuellste ist in der Oltner Ausstellung zu hören.

Kunstmuseum Olten

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